Man musste durch Brombeergestrüpp den Hang hochsteigen, um zu dem großen Haus zu kommen. Als wir den Stacheldraht entwirrt hatten, der die alte Tür verschloss, konnte man in die Dunkelheit, die schwarz wie der Russ vom Kamin roch, hineingehen. Die Decke war schief. Generationen von Würmern war es fast gelungen, sie mitsamt den Balken in Staub zu verwandeln. In den Brettern waren Löcher, man sah die obere Stube. Ja, und in einer Ecke war ein Stapel Papiere, die langsam dem Keller zu rutschten.

So sind wir auf der kleinen steilen Treppe in den 1. Stock hochgeklettert. Die große Stube, die als einzigen Verputz den schwarzen niedergeschlagenen Kaminfeuerrauch von wer weiß wie lange, besaß, war von einem Lichtstrahl erhellt, der zwischen zwei klapprigen Fensterläden hereinkam. In einer Ecke stand ein großes altes Bett mit einer vermoderten Matratze, die vom Wasser, das seinen Weg zwischen den Schiefern gefunden hatte, fleckig war. Und unter dem Bett dieser alte Stapel Papiere, die wir aufsammelten, um sie genauer anzuschauen.

Da war ein zusammengeschnürtes Paket Briefe, Einziehungsbefehle für den Krieg von 14/18 und einige Notarakten. Wir sahen alles durch. Es gab da einige Namen. Sie hießen damals Dubuc Alexina, Jean-Marie oder Joseph, genannt ‚Le Pourtérés'.

Später erfuhren wir, dass ein jedes Haus seinen Namen trägt. Wenn man von den Leuten sprach, benannte man sie nach ihrem Haus, denn sie hatten oft denselben Familiennamen und denselben Vornamen, was die Erbfolge erleichterte. So musste man nicht für jede Generation neue Akten machen....

Nachdem der Hof schon zwei Generationen lang nicht mehr bewohnt war, war es Zeit, das Haus wieder herzurichten. Da galt kein Zögern. Wir verpackten alle Papiere und Photos in einem Karton. Wir würden sie später wieder anschauen....

Und es ging los.... Da waren 22 ha, die darauf warteten, von ihrem dichten Farnteppich und Brombeergestrüpp befreit zu werden. Das Haus musste hergerichtet werden, damit wir zwei und unsere zwei Kinder darin wohnen konnten.

Ziemlich bald kauften wir die ersten Tiere.

Eines schönen Nachmittags kam uns eine alte Dame besuchen. Sie war Rentnerin und hatte bei der Post gearbeitet. Sie war 75 Jahre alt und war oft in ihren Ferien hier bei ihren Großeltern gewesen. Sie war in Paris groß geworden, wo ihre Mutter sie jemandem gegeben hatte, der selber keine Kinder hatte.

Wenig später war ihre Mutter nach Amerika ausgewandert, wo sie einen Kerzenmacher geheiratet hatte. Ihre Tante las die Briefe vor, die von Zeit zu Zeit von dort ankamen und sie schrieb auch die Antwortbriefe, da sie die einzige war, die schreiben konnte. Damals musste man viel arbeiten, und man behielt die Buben daheim zum helfen. Die Mädchen gingen zur Schule und zum Katechismus.

Der Großvater unserer Besucherin wurde blind und verbrachte sein Lebensende im Heim. Es war niemand mehr zu Hause, um sich um ihn zu kümmern. Krieg und Krankheiten hatten einige Leben dahingerafft, und außerdem hatte der Alte seine Söhne schwören lassen, sich niemals zu verheiraten. Und damals gehorchte man....

Kurz bevor der Großvater starb, überredete ihn ein Viehhändler, ein Kreuz unter einen Text, den er nicht lesen konnte zu machen. So wurde der Hof damals Eigentum dieses Händlers. Der brachte dort Tiere hin, um die Pacht für die Alm zu sparen...oder um einige Tiere zu verstecken, deren Herkunft nicht immer ganz klar war.

Und dieser Händler hatte , wie man hier sagt, eine ‚poule', die gern zusammenscharrte. Vor allen Dingen das Geld von anderen. So hatte der Hof, der schon damals sehr verfallen war, für 5000Frs oder 20 Schafe, so haben es uns die Alten bestätigt, einen neuen Eigentümer gefunden.

Da die Zeit schnell vergeht, hatte die gute Frau, um auf eine Rente Anspruch zu haben, den Hof bei einem Immobilienmakler zum Verkauf angeboten.

Wir folgten dem Renault4L dieses Maklers auf einem Weg, der eher einem Flussbett glich, bis der Weg nicht mehr befahrbar war. Jetzt musste man zu Fuß weitergehen. Der Makler hatten einen günstigen Moment ausgesucht: alles badete im goldenen Licht vor dem Sonnenuntergang.

Neben dem Haus standen Kühe im Schlamm. Wenigstens war hier irgendwo Wasser...

Meine Frau und die Kinder blieben auf der Wiese gegenüber des Hauses und ich stieg den Hang hoch. Je höher ich kam, desto schöner wurde es. Als ich endlich atemlos oben ankam, sah ich die hohen Gipfel der Bergkette und die umliegenden bewaldeten Täler, die von einigen Wiesenflecken unterbrochen waren. Der Wald trug sein schönstes Herbstkleid und die Gipfel waren vom ersten silbernen Schnee bepudert..

Ich war von diesem Ort verzaubert und ich fühlte mich glücklich. Ich verliebte mich in diese Erde. Außerdem fand ich Pilze zwischen dem Farn und der Heide. Wir haben sie am Abend in unserem kleinen Wohnwagen auf dem Campingplatz in Luzenac gegessen.

An allen Ecken war Arbeit. Wir hatten keine Strasse. Das Material zogen wir mit einer Winde mit einem 300m langen Seil hoch, woran ein Wagen befestigt war, den man lenken musste. Gar nicht so einfach, den Motormäher anzumachen, unsere einzige Maschine, die umgebaut war, um die Winde anzutreiben. Gar nicht so einfach, den Wagen zu lenken und vor allen Dingen nicht umzukippen!

Einige Leute besuchten uns. Wir hörten von anderen Deutschen, die sich in anderen Tälern niedergelassen hatten. So sind wir also nicht die einzigen Ausländer hier! Es war damals wie eine Welle: Hippies, Neoruraux, wie man uns nannte.

Die ersten Kühe auf dem Markt von Saint-Girons gekauft, der Fuchs, der die Perlhühner frisst, die Kühe, die die Gänse als Kopfkissen benutzen, die Enten, die den Bach hinunterschwimmen und sich von mitleidsvollen Nachbarn rupfen lassen, die Ziegen, die auf den Moussaou geklettert sind.... 25 lange Lehrjahre haben angefangen. Alles war zu machen und manchmal noch mal zu machen.

Nach und nach haben wir das verwilderte Land gezähmt, indem wir zäumten, mähten und Mist breiteten. Wir hatten nur einen gebrauchten Motormäher und ein Pferd. Jetzt haben wir einen ganzen Maschinenpark. Wir haben gemerkt, dass das einfache Leben ganz schön kompliziert sein kann.

Hier zählt man die Zeit nicht in Stunden. Die Zeiteinheit ist das Jahr. In diesem Rhythmus wiederholt und wechselt alles. Wir wollten in der Natur leben von der Erde, den Tieren. Die Natur hat es uns anders beigebracht. Man kann nur mit der Erde, mit den Tieren und mit der Natur leben. Man muss dieses große Spiel mitspielen, Teilnehmer und nicht Betrachter sein.

Die Nachbarn von gegenüber, die alle unsere Bewegungen mit dem Fernglas beobachteten, erzählten im Dorf, wir hätten das Land verändert. Aber in Wirklichkeit ist es das Land, das uns verändert hat, das uns hilft wir selbst zu werden, unseren Platz im großen kosmischen Spiel zu finden.

Wir fingen an, Käse zu machen. Jemand hatte uns seine alten Bienenvölker verkauft. Wir fuhren mit dem Auto durchs Tal, um die Produkte vom ‚Pourtérés' zu verkaufen. Wir gingen auf die Märkte.

Das erste Ferienhaus bauten wir auf eine Ruine hinter dem Hof. Die ersten Gäste kamen, um das Landleben mit uns zu teilen. Wir hatten die Arbeit wieder da angefangen, wo sie unsere Vorbesitzer 45 Jahre früher liegen gelassen hatten.

Im dritten Jahr wurde Lucie geboren. Die erste Geburt seit 60 Jahren in Las Piasseres. Eliane, die Hebamme, die die gute Fee vieler ‚Neo-Kinder' war, kam zu Fuß an, da ihr Auto im Schnee feststeckte.

Seitdem sind die Kinder groß geworden und ihren Weg gegangen. Die Enkelkinder sind gekommen...

‚Le Pourtérés' ist ein Ort der Begegnungen geworden. Begegnungen zwischen Menschen, aber auch mit der Natur. Wenn jemand einmal hier war, kommt er wieder.

Hier ist man an der Quelle. Hier kann man noch die Stille hören.

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Der Bauernhof